Die ersten Wahlen sind jetzt vorüber, denn am 11. Juni fanden bekannterweise die Gemeindewahlen statt. Die eigentlichen Gewinner dieser Wahlen waren aber nicht die Parteien, sondern die sogenannten Bürgerlisten, die in 35 von 56 Proporzgemeinden an den Start gingen und dabei 147 Mandate errangen. 2017 waren es deren bloß 34. Es kristallisiert immer mehr heraus, dass es den etablierten Parteien immer schwerer fällt in den Proporzgemeinden ganze Listen zusammenzustellen. Dies sollte den etablierten Parteien zu denken geben.

Aber nach den Wahlen ist vor den Wahlen und so stehen am 08. Oktober die Parlamentswahlen auf dem Programm. Für die etablierten Parteien gilt es hier Farbe zu bekennen, für welche Politik sie in den nächsten fünf Jahre stehen wollen. Unnötig zu sagen, dass die Politik der nächsten Koalition, die aus diesen Wahlen hervorgeht, wird unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitswelt und die Hunderttausenden von Arbeitnehmern und Rentnern in Luxemburg haben.

Bewertet man die Arbeit der Regierung der letzten fünf Jahre, so kann man sagen, dass die Bilanz durchzogen ist – vieles wurde gut gemacht, anderes hätte man sicher besser machen können.

So folgte der Ankündigung, dass „wichtige Reformen auf der Ebene der Beschäftigungspolitik und der Kompetenzentwicklung fortgesetzt werden müssen“ keine Taten. Die Reform des Kollektivvertragsgesetzes ist immer noch nicht zustande gekommen.

Die von der Regierung angekündigte große Steuerreform hat nicht stattgefunden. Das Ungleichgewicht zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen besteht ebenso fort wie der Trend, dass die Besteuerung natürlicher Personen einen immer größeren Anteil an der Gesamtsteuerlast gegenüber der Besteuerung von Unternehmensgewinnen einnimmt.

Auch im Wohnungswesen kann man der jetzigen Regierung kein gutes Zeugnis ausstellen, der Notstand besteht weiter und immer mehr Bürger sehen sich dazu gezwungen eine Wohnung im Ausland zu kaufen, da erschwinglichen Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen in Luxemburg Mangelware sind.

Eine Ungenügend erhalten sowohl das Bildungsministerium als auch das Ministerium für den öffentlichen Dienst. Zu erwähnen sei hier nur der Umgang mit den Lehrbeauftragten (siehe auch den Artikel in dieser Ausgabe) sowie die Art und Weise des Zustandekommens des Gehälterabkommens für den Öffentlichen Dienst im letzten Jahr, wo der OGBL bzw. der FNCTTFEL-Landesverband in der großen Mehrheit der betroffenen Sektoren die stärkste Gewerkschaft ist, trotzdem aber noch immer nicht an den Verhandlungen teilnehmen darf.

Auf der Gegenseite kann man dem Minister für Mobilität und öffentliche Arbeiten aber ein gutes Zeugnis ausstellen. So ist Luxemburg Spitzenreiter im europaweiten Länder-Vergleich der Pro-Kopf-Investitionen in die Bahn. Zu erwähnen sind dabei Projekte Ausbau des Bahnhofs Luxemburg, Neubaustrecke Linie Luxemburg – Bettemburg, Umsteigeplattform Howald, Umsteigeplattform Ettelbrück, Umsteigeplattform Rodange, und Umsteigeplattform Mersch. Aber auch die Investition von rund 400 Millionen Euro in neues Rollmaterial ist zu begrüßen, genauso wie die Ausarbeitung des nationalen Mobilitätsplanes 2035 (PNM 2035) durch welchen sich Luxemburg fit für die Mobilität der Zukunft machen will. Nicht zu vergessen ist aber auch der neue öffentliche Dienstleistungsvertrag für den Personenverkehr auf der Schiene, mit welchem die CFL und nicht ein Drittanbieter den Zuschlag für die Fortführung des Dienstes in den nächsten 15 Jahren erhielt. Als kleine b-Molls sind indes die geplante Einstellung der Zugverbindung Esch/Alzette-Audun-le-Tiche, die Nicht-Wiedereröffnung der Bahnstrecke nach Bissen für den Personenverkehr sowie der noch immer nicht geplante zweigleisige Ausbau der Nordstrecke zu erwähnen.

Eine positive Bewertung verdient auch die Gesundheitspolitik. So wurde das Krisenmanagement während der Coronakrise sogar vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gelobt. Kürzlich stellten Gesundheitsministerin Paulette Lenert und Sozialminister Claude Haagen auch den nationalen Gesundheitsplan vor. Die Initiative der Regierung ist ein wichtiger Schritt, um unser öffentliches Gesundheitssystem zu stärken und es gleichzeitig zu modernisieren und an die Bedürfnisse der Bevölkerung anzupassen. Trotzdem heißt es aufmerksam zu bleiben bei seiner Umsetzung.

In Hinblick aus die ausstehenden Parlamentswahlen haben sich die verschiedenen politischen Parteien bisher verstärkt auf die Bestimmung Ihrer Spitzenkandidaten konzentriert, mit der Veröffentlichung ihrer Wahlprogramme tun sie sich indes noch schwer.

Angesichts dessen hat der OGBL beschlossen, sich in diese Wahlkampagne einzubringen und hat dafür, in Zusammenarbeit mit den einzelnen Syndikaten, einen Forderungskatalog zusammengestellt und diesen an die verschiedenen politischen Parteien gesendet. Dieser Forderungskatalog kann unter https://syndikat-eisebunnen.lu/wp-content/uploads/2023/07/Aktuell_0323_Dossier_DE.pdf eingesehen werden.

Dabei decken die Forderungen des OGBL aber nicht das gesamte Spektrum der Regierungskompetenzen ab, sie konzentrieren sich ausschließlich auf die wichtigsten Themen, die die Arbeitnehmer, Rentner und ihre Familien in ihrem Alltag betreffen – also eben den Kompetenzbereich des OGBL.

Alle politischen Parteien sind herzlich eingeladen, diesen Forderungskatalog zu übernehmen, und zwar ohne sich zurückzuhalten. Plagiate sind ausnahmsweise sogar ausdrücklich erwünscht.

Zur allgemeinen Orientierung lädt der OGBL die einzelnen Parteien zu einem Rundtischgespräch am 13. September ein, zu welchem aber auch jedes Mitglied des Landesverbandes willkommen ist.

Josy Bourggraff

Generalsekretär