Dieser Rechtsruck ist eingetreten, wenn auch unterschiedlich nach Ländern und Regionen. Dieser Rechtsruck beschränkt sich leider nicht auf die rechtsextremen Parteien. Auch andere Parteien und Politiker bedienen sich der rechtspopulistischen Rezeptur, wie beispielsweise am Verabschieden des Migrationspaktes, vor den Wahlen zum Europaparlament, ersichtlich wurden. Dabei zeigt die Erfahrung, dass, wenn andere Parteien die Rezepte der Rechtsextremen übernehmen, diese nicht an Zustimmung verlieren, sondern salonfähig werden.
Auch unsere konservativ-liberale Koalition gibt vor, den Rechtsextremismus bekämpfen zu wollen. Dazu wären allerdings Taten statt leere Versprechungen notwendig. Die Rede vom Premierminister zur Lage der Nation hat erkennen lassen, dass unsere Regierung die Botschaft, die von den Wählern bei uns in den Nachbarländern ausging, nicht verstanden hat. Dies betrifft u.a. die Armutsbekämpfung, die laut Koalitionsprogramm Priorität genießen soll. Die einzige Initiative, die in diesem Zusammenhang angekündigt wurde, soll ein vereinfachter Zugang zur karitativen Sozialhilfe sein. Von dem Anspruch, dass Menschen, die eine geregelte Beschäftigung haben, vom Verdienst ihrer Arbeit in Dignität leben können und im Alter gut versorgt sind, sind wir noch weit entfernt. Dazu müssten der Mindestlohn und das Mindesteinkommen strukturell erhöht sowie die Mindestpensionen aufgebessert werden. Immerhin hat die Regierung erkannt, dass für viele Menschen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sich schwierig gestaltet. Doch anstatt eine allgemeine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit anzustreben, sollen die Arbeitszeiten flexibilisiert werden.
Armutsbekämpfung und Verteilungsgerechtigkeit
Eine gerechtere Verteilung des bei uns geschaffenen Reichtums scheint für die aktuelle Regierung kein Thema zu sein. In den vergangenen Jahren wurden die Betriebssteuern fortlaufend gesenkt, sodass heute die Betriebe im Verhältnis zu den Haushalten immer weniger Steuern bezahlen. Trotz dieser Tatsache sollen diese Steuern weiter gesenkt werden. Von einer sozialgerechten Steuerreform sind wir noch weit entfernt. Auch wenn die Steuertabelle ab 2025 um 2,5 Indextranchen bereinigt werden soll, bleibt noch immer ein erheblicher Rückstand bestehen, was die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation betrifft; dies insbesondere, sollte zum Schluss dieses Jahres eine weitere Indextranche fällig werden. Darüber hinaus wäre eine steuerliche Entlastung der unteren und mittleren Einkommen dringend geboten. Im Gegenzug sollten die hohen Einkommen und die Kapitaleinkünfte stärker besteuert werden. Dies wird wahrscheinlich Wunschdenken bleiben, ebenso wie Wiedereinführung einer Vermögenssteuer und einer Erbschaftssteuer auf sehr hohen Vermögen.
Butter statt Kanonen
Wenn wir bei der Armutsbekämpfung und bei der Wohnungskrise konkrete Zielvorgaben vermissen, so ist dies bei der militärischen Aufrüstung nicht der Fall. Die Wohnungskrise soll mit marktwirtschaftlichen Mitteln bekämpft werden, die bis jetzt versagt haben. Die Baupromotoren, die sich in der Vergangenheit eine goldene Nase verdient haben und die nicht unschuldig am Wohnungsmangel sind, sollen es richten.
Wie weiter oben bemerkt, sollen die Militärausgaben bis 2030 auf circa 1,5 Milliarden erhöht werden. In diesen enormen Beträgen, die in den nächsten Jahren anfallen, sind die Militärhilfen für die Ukraine nicht einbegriffen. Mich wundert, dass verschiedene Oppositionsparteien bei der Anpassung der Steuertabelle um 2,5 Indextranchen nach der Gegenfinanzierung fragen, anders als bei der drastischen Erhöhung der Rüstungsausgaben. Hier scheint dies kein Thema zu sein. Die Erhöhung der Militärausgaben wird die Welt nicht sicherer machen, aber den Rüstungskonzernen lukrative Aufträge bescheren. Die hier aufgewendeten Gelder fehlen, um eine fortschrittliche Sozialpolitik auf den Weg zu bringen und wie angekündigt unsere Wirtschaft klimafreundlicher zu gestalten. Aber vielleicht besteht parteiübergreifend die Absicht, unsere Wirtschaft zu einer Kriegswirtschaft mutieren zu lassen. Da die Militärausgaben beim Pariser Klimaabkommen ausgespart wurden, würde eine Kriegswirtschaft weniger individuellen Konsum bedeuten, was dem Klima zugutekäme. Ich für meinen Teil würde es vorziehen, in Butter statt Kanonen, d.h. in eine ambitiöse Sozial- und Entwicklungshilfepolitik zu investieren, anstatt die Rüstungsindustrie zu fördern.
Nico Wennmacher
Ehrenvorsitzender
FNCTTFEL-Landesverband